Brauchen wir ein Social Media Verbot für Politiker?

Brauchen wir ein Social Media Verbot für Politiker?

Der von vielen als einer der progressivsten Politiker Deutschlands gerühmte Grünen-Chef Robert Habeck hat im Januar 2019 seine Social Media Kanäle gekappt und viele Beobachter wussten: Das wird er politisch nicht überleben. Kein halbes Jahr später weist das ZDF-„Politbarometer“ den Grünen-Chef als beliebtesten Politiker Deutschlands aus.

Bislang wurde noch kein Politiker gesichtet, der durch seine Social-Media-Präsenz an Würde oder Profil gewonnen hat. Im Gegenteil: Social-Media normiert Sprache, Haltung und Reflexe, weil es jeden Nutzer konditioniert, die maximale Resonanz zu erreichen. Dabei wird immer wieder vergessen, dass Twitter und Facebook keine öffentlich-rechtlichen Kommunikations-Plattformen ohne Gewinninteressen sind. Es sind Unternehmen, die mit einem hochprofessionellen Anreizsystem so viel Interaktion wie möglich erzeugen müssen, um darüber möglichst komplexe Nutzer-Profile für maßgeschneiderte Online-Werbung erstellen zu können.

Man kann mittlerweile das komplette Silicon Valley mit Studien zu tapezieren, die belegen, dass Zwischentöne die geringsten und Extrempositionen die höchsten Interaktionsraten auf allen Social-Media-Kanälen erzeugen. Mit anderen Worten: Wir haben uns Debattenkanäle ausgesucht, die für Debatten ungeeigneter nicht sein könnten, weil Hysterie mit Resonanz belohnt wird, während Moderates gefiltert wird. Nicht zwingend von Algorithmen, sondern bereits im Kopf, weil wir mit der Zeit lernen, was „performt“ und was nicht.

Die Frage muss erlaubt sein: Darf ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete Kommunikations-Kanäle nutzen, die ihr Geld mit der gezielten Förderung von Extrempositionen verdienen? Das riecht nach Demokratie-Gift, aber genau das findet aktuell überall auf der Welt statt. Interaktions-Algorithmen schaffen einen Wettbewerbsvorteil für Populisten und Angstmacher, gemäßigte Politiker sind gezwungen Algorithmus-gerecht zuzuspitzen. Was wir hier vorfinden, ist ein Konflikt zwischen den Gewinninteressen von Social-Media-Services und den Ansprüchen der Demokratie.

Auf Basis welcher Kriterien Botschaften auf Facebook gefiltert oder gefördert werden, weiß nur Facebook selbst. Die politische Öffentlichkeit ist somit eine Blackbox, die für jeden Nutzer anders aussieht. Allein die theoretische Möglichkeit für Datenkonzerne, über das immense Datenwissen auf politische Prozesse Einfluss zu nehmen, erfordert Regeln. Sollten Facebook oder Google einen Politiker oder eine politische Bewegung mit den Mitteln ihrer Daten- und Werbemacht fördern, wird es die Öffentlichkeit nie erfahren. Und weil sich diese Konzerne stets gegen Transparenz-Maßnahmen juristisch wehren, bleibt einer Gesellschaft gar nichts anderes übrig, als ihren Volksvertreter den Weg zu Sozialen Medien zu versperren.

(c) 2019, Schlecky Silberstein