Schule digital: es ist immer noch kompliziert

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Schule digital: es ist immer noch kompliziert

Im Januar hatten wir gemeinsam mit 20 Organisationen die Stellungnahme zur Verwendung fragwürdiger Cloud-Software an Schulen veröffentlicht. Ein in dieser Form bisher noch nie dagewesenes Bündnis aus Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrkräfteverbänden und Vereinen. Seither ist zwar viel passiert aber leider nicht genug, um das Thema abschließen zu können. Deswegen gibt es jetzt Stellungnahme Vol. 2.

Was bisher geschah…

Während des Corona-Lockdowns schafften viele Schulen IT-Lösungen an, die bis heute datenschutzrechtlich fragwürdig sind und Schulen in eine digitale Abhängigkeit geführt haben. Anstatt die Vielfalt digitaler Lösungen kennenzulernen, nutzen Schülerinnen und Schüler an diesen Schulen jetzt ausschließlich die Produkte eines einzigen Unternehmens und sollen so zu treuen Kundinnen und Kunden von morgen werden.

Widerstand dagegen regte sich besonders in Baden-Württemberg, wo das Kultusministerium die flächendeckende Einführung von Microsoft 365 an Schulen plante. Anfangs als Allheilmittel verkauft, das im Handumdrehen alle Probleme der Schulen lösen würde, zeigte sich schnell, dass das oft zitierte „Microsoft funktioniert einfach“ vielleicht für die Anlage eines Word-Dokuments gilt, nicht aber für das Aufsetzen und den Betrieb des dafür notwendigen Systems für eine Million Schülerinnen und Schüler (ausführliche Informationen zu diesem und weiteren Themen gibt es in der aktuellen heise-Artikelserie „Schule digital II“).

Erschwerend kommt hinzu, dass die rechtliche Situation für den Einsatz US-amerikanischer Cloud-Produkte nach wie vor unklar ist. Und selbst wenn diese Fragen geklärt werden sollten, stellt es Schulen vor eine unlösbare Herausforderung, den Betrieb eines derartigen Systems rechtskonform sicherzustellen. Microsoft 365 erhält praktisch täglich Produktaktualisierungen, deren Auswirkungen die Verantwortlichen zeitnah überprüfen und bewerten müssten. Im normalen Schulbetrieb fehlt oft schon die Zeit und das Knowhow für einfache administrative Tätigkeiten, so dass es schlichtweg unmöglich ist, ein derart komplexes System im Rahmen der aktuellen Strukturen zu betreiben.

Vielen Schulleitungen ist noch nicht bewusst, welche Verantwortung mit dem Betrieb eines IT-Systems auf ihren Schultern lastet. Aktuell interessiert das aber auch niemanden, weil Datenschutzverstöße keine nennenswerten Konsequenzen für die Verantwortlichen haben. Unter dieser Situation leiden vor allem Familien, die um die Bedeutung des Datenschutzes wissen und keine Möglichkeit haben, sich gegen den Einsatz derartiger Produkte an Schulen zu wehren. Schülerinnen und Schülern bleibt oft keine andere Möglichkeit als die fragwürdigen Produkte zu nutzen, weil sie ansonsten massivem Druck von Seiten der Schulleitung oder der Lehrkräfte ausgesetzt sind. Lukas Wagner hat dazu einen ausführlichen Erfahrungsbericht geschrieben, der die Situation anschaulich zeigt.

Die Schule ist ein Ort, an dem maximal schutzbedürftige Personen zusammenkommen und maximal schutzbedürftige Daten anfallen. Der daraus resultierenden Verantwortung kommen viele Schulen aktuell nur unzureichend nach. Um die Familien in dieser Situation zu unterstützen, bleiben wir weiter an diesem Thema dran.

Stellungnahme: Die Zweite

Wie es im Kultusministerium Baden-Württemberg zukünftig weitergeht, ist aktuell noch nicht klar. Ein Großteil der Verantwortung für die Auswahl und den Betrieb von IT-Lösungen liegt aber ohnehin bei den Schulen selbst. Mit unserer neuen Stellungnahme möchten wir alle Verantwortlichen im Bildungswesen dazu aufrufen, ihre zukünftigen Pläne auf folgende Grundpfeiler zu stellen:

  • Einhaltung des Datenschutzes mit besonderer Berücksichtigung des Schutzbedarfs von Kindern und Jugendlichen und den sensiblen Daten, die an Schulen verarbeitet werden.
  • Nutzung von Open Source Lösungen, um digitale Souveränität zu wahren und Lock-In-Effekte zu vermeiden.
  • Vermittlung digitaler Vielfalt, damit Schülerinnen und Schüler eine gute Grundlage haben, um für sich passende digitale Lösungen auch zukünftig frei und unabhängig wählen zu können.

Diese Ziele können in Baden-Württemberg z.B. durch eine landeseigne Schul-IT-Infrastruktur und den weiteren Ausbau der schon vorhandenen Open Source-Komponenten erreicht werden. Damit digitale Themen an Schulen fundiert behandelt werden, muss die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften deutlich ausgebaut und verbessert werden.

Der gesamte Text der Stellungnahme: https://unsere-digitale.schule/

Update – Was später an diesem Tag noch geschah…

Die Stellungnahme war noch gar nicht richtig durch, da erreichten uns Meldungen, dass der LfDI BW seine Analyse zum Microsoft Pilotversuch abgeschlossen hätte und zur Einschätzung gekommen sei, dass Microsoft sich für den Schuleinsatz nicht eignet:
https://bnn.de/nachrichten/baden-wuerttemberg/ella-20-schul-bildungsplattform-von-microsoft-steht-in-baden-wuerttemberg-vor-dem-aus

Wie es jetzt weitergeht ist unklar. Klar ist, dass wir weiter an dem Thema dranbleiben!

23.04.2021 Inga Klas

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