Allerdings gibt es ein folgenschweres Missverständnis: Nicht nur im Silicon Valley herrscht die Annahme, dass Menschen hauptsächlich über positive Emotionen in Interaktion treten. Dieser dramatische Vorzeichenfehler verkennt unsere Psychologie. Tatsächlich belegen unzählige Studien, dass wir messbar schneller und intensiver auf negative Impulse wie Angst, Wut, aber auch Ekel reagieren.
Der Grund liegt in unserer Evolutionsgeschichte: Den Homo Sapiens gibt es seit ca. 300.000 Jahren, davon haben unsere Vorfahren in mehr als 99 Prozent der Zeit fast exklusiv ums Überleben gekämpft. Eine bedrohliche Umwelt, Krankheiten, vor allem aber das Gewaltpotential unserer Artgenossen haben unsere Wahrnehmung aus gutem Grund für das Erkennen von Bedrohungen geschult. Daher gibt es eine ganz ausgeprägte Hierarchie im Spektrum unserer Emotionen, bei der Angst mit Abstand an erster Stelle steht.
In den letzten 200 Jahren haben Gesetze, technischer Fortschritt und Durchbrüche in der Medizin viele existentielle Bedrohungspotentiale dramatisch reduziert, jedoch passt sich das Gehirn in so kurzer Zeit nicht an die neue Sicherheitslage an. Das heißt: Unsere Wahrnehmung ist noch immer vom Überlebenskampf geprägt. Oder anders gesagt: Unser Gehirn hat sich in einer Zeit geformt, in der wir von den Annehmlichkeiten der modernen Welt noch nichts wussten.